Der Vollmond in der Bibel
Die Bibel ist zweifelsohne eines der wichtigsten Bücher der Menschheitsgeschichte – meistgedruckt, meistübersetzt und weltweit am weitesten verbreitet. Sie ist die Heilige Schrift des Christentums und Judentums (in verschiedenen Formen) und damit das manifestierte Wort Gottes von zwei der großen Weltreligionen.
In den Texten mit ihrer archaischen, poetischen Sprache finden sich viele Beschreibungen der Natur und des Himmelsgehens. Es ist also naheliegend, dass auch Sonne, Mond und Sterne erwähnt werden. Aber findet sich auch der Vollmond?
Wenn man eine Suchmaschine bemüht, erhält man zunächst keine Ergebnisse. Man muss allerdings zwei Dinge beachten. Erstens liegen die Texte in verschiedenen Übersetzungen vor und diese sind aufgrund der Interpretation der hebräischen Sprache des Urtextes im Ergebnis sehr unterschiedlich. Zweitens wurde der Vollmond in alten Zeiten nicht unbedingt mit diesem Wort beschrieben. Es kann durchaus vorkommen, dass dann zum Beispiel vom »vollen Mond« gesprochen wird.
Wir haben zwei Stellen zum Vollmond gefunden, die wir exemplarisch ein wenig beleuchten wollen. Wir vergleichen jeweils verschiedene Übersetzungen. Zunächst ein Psalm aus dem Alten Testament:
Psalm 81, Vers 3–4
(Übersetzung: Luther, 1545)
[3] Nemet die Psalmen vnd gebet her die Paucken
Lieblich Harffen mit Psaltern.
[4] Blaset im Newmonden die Posaunen
Jn vnserm Feste der Laubrust.(Übersetzung: Schlachter, 1951)
[2] Stimmt ein Lied an und nehmt die Pauke zur Hand,
die liebliche Harfe mit dem Psalter!
[3] Blaset am Neumond die Posaune,
am Vollmond, unserm festlichen Tag!(Übersetzung: Neue Evangelistische, 2010)
[3] Stimmt den Lobgesang an, und schlagt die Tamburine,
die milde Zither und die Harfe dazu.
[4] Stoßt am Neumond ins Horn,
am Vollmond und zum Tag unseres Festes!
Man sieht, dass bei Martin Luther zwar der Neumond genannt wird, der Vollmond aber nicht. Erst in späteren Versionen findet dieser Erwähnung. Der Interpretationsspielraum in der Übersetzung wird auch bei den aufgezählten Musikinstrumenten sichtbar, da geht es um Posaunen versus Horn und um die Harfe versus Zither plus Harfe. Die Nennung des Neumonds zeigt jedenfalls, dass es hier um eine Zeitangabe für bestimmte Tage geht, die sich nach dem Mondkalender richten. Diese zeitgebende Funktion des Mondgeschehens ist bis heute in vielen Religionen von großer Bedeutung, so beispielsweise im Christentum, im Islam oder im Buddhismus. Es ist ein versöhnliches Gefühl, dass der Mond offenbar in allen Weltreligionen eine besondere Rolle spielt.
Eine weitere Stelle im Alten Testament findet sich in den Sprüchen Salomons. Hier geht es um ein heikles Thema, die Untreue:
Sprüche 7, Vers 18–20
(Übersetzung: Luther, 1545)
[18] Kom las vns gnug bulen bis an den morgen
vnd las vns der liebe pflegen.
[19] Denn der Man ist nicht da heime
er ist einen fernen weg gezogen.
[20] Er hat den Geldsack mit sich genomen
Er wird erst auffs Fest wider heim komen.(Übersetzung: Schlachter, 1951)
[18] Komm, wir wollen der Liebe genießen bis zum Morgen,
uns an Liebkosungen ergötzen!
[19] Denn der Mann ist nicht zu Hause, er hat eine weite Reise angetreten,
[20] er hat den Geldbeutel mitgenommen und kommt erst am Tage des Vollmonds wieder heim.(Übersetzung: Neue Evangelistische, 2010)
[18] Komm, wir lieben uns die ganze Nacht,
wir berauschen uns an Liebeslust!
[19] Denn mein Mann ist nicht zu Hause,
er ist auf Reisen, sehr weit fort.
[20] Den Geldbeutel hat er mit sich genommen.
Zum Vollmondstag erst kommt er nach Haus.
Auch hier kommt der Vollmond erst in neueren Übersetzungen zum Vorschein, wobei bei Luther wiederum von einem Fest die Rede ist, das wohl mit dem Vollmond in Verbindung steht.
Wahrscheinlich gibt es noch einige andere Nennungen des Vollmonds in der Bibel. Beim Studium der Texte wird man schnell in den Bann der Sprache gezogen, die von großer Ursprünglichkeit und Kraft ist, wie in allen großen Weisheitsbüchern.
Es tut gut, ab und zu darin zu lesen.
Ich empfehle euch, wenn euch das Thema „Vollmond in der Bibel“ , Vollmond im vorexilischen Israel, interessiert, das alte Buch „The Jewish New Year Festival“ von Norman Snaith durchzulesen. Leider nur in englisch und antiquarisch erhältlich. Snaith erklärt darin anhand alter israelischer Gebräuche, warum er der Meinung ist, dass der an die Gestirne gebundene ursprüngliche biblische Monatsanfang, Und vor allem auch der 1.Tag des 1. biblischen Monats Abib vor der babylonischen Gefangenschaft von den Israeliten am Tag des Vollmondes begangen wurden. Demnach lernten die Israeliten erst in Babylon die Berechnung des Monatsanfanges nach der ersten sichtbaren Mondsichel kennen, während man im alten Mesopotamien, Abrahams ursprünglicher Heimat, den Monat offenbar mit dem Leermond, Dunkelmond, der Konjunktion begann. Gott machte die Lichter am Himmel, damit sie Tag und Nacht regieren, der Erde Licht spendeten, aber auch Jahr und Tag und vor allem seine Festzeiten anzeigen. Sonne Mond und Sterne haben eindeutig kalendarische Funktionen. Und diesen Kalender kann man lesen lernen.