Der Vollmond in der romantischen Malerei

Gegen Ende des 18. Jahrhunderts, also vor mehr als 200 Jahren, war in Deutschland eine neue Stilrichtung im Begriff, die Malerei zu erobern: die Romantik. Hierbei ging es auch um das, was wir heute noch darunter verstehen, nämlich die Betonung des Gefühls. Es war aber mehr als das …

Es ging um das Selbstverständnis einer ganzen Generation von Menschen, die sich künstlerisch, dichterisch und musikalisch ausdrückten. Sie versuchten, der bis dahin herrschenden Vernunft der Aufklärung und ebenso dem auf Ordnung bedachten Klassizismus eine Sichtweise entgegenzusetzen, die mit irrationalen Inhalten zu tun hatte, wie etwa der Fantasie, der Unendlichkeit oder Transzendenz. Es ging um das, was Wassily Kandinsky (1866–1944) viel später über das Künstlerische im Allgemeinen ausdrückte, als er sagte: „Das Glück des Künstlers ist die Möglichkeit, die Sehnsucht in Formen kleiden zu können.“

Wie kleidet man also die Sehnsucht in Formen? Wie drückt man das Fernweh aus, die Begegnung mit dem, was wir nicht denken oder aussprechen, sondern nur ahnen können? Keine leichte Aufgabe und vielleicht bediente man sich in dieser Zeit, allen voran Caspar David Friedrich (1774–1840) als Hauptvertreter der deutschen Romantik, deshalb in erster Linie der Natur, in die er den Betrachter blicken lässt, um genau diese Erfahrung hervorzurufen. Meist werden diese Landschaftsdarstellungen begleitet von einer abgewandten Figur, die gemeinsam mit oder stellvertretend für die betrachtende Person in die Ferne blickt. Oft sind diese Szenen in der Nacht oder Dämmerung angesiedelt und es ist nicht verwunderlich, dass dabei auch der Mond ins Spiel kommt.

Hier sehen wir beispielhaft das Bild „Mondaufgang am Meer“ von C.D. Friedrich aus dem Jahr 1822. Und was hier in Betrachtung der beiden Damen und ihres Begleiters aus den Wolken emporsteigt ist unser liebgewonnener Vollmond. Die Schiffe symbolisieren übrigens den Lebensweg des Menschen.

Ein anderer Maler der deutschen Romantik war Philipp Otto Runge (1777–1810), der mit C.D. Friedrich durch ein Altarbild in Berührung kam, das er im Jahr 1806/1807 für eine Kapelle auf Rügen anfertigte: „Petrus auf dem Meer“. Auch hier ist deutlich ein Vollmond zu sehen, der – wie auch bei Friedrich – über dem Meer steht und umgeben von Wolken die Szene beleuchtet.

So begleitete also der Vollmond unsere Bilderwelten und insbesondere solche, die mit Gefühlen, Mystik und der Nacht zu tun haben. Und wer würde nicht zugeben, von Zeit zu Zeit den einen oder anderen Anflug romantischer Gefühle in sich zu entdecken? Wenn wir der Idee der Romantik glauben dürfen, hilft da der Blick in die Ferne … oder eine Umarmung.

2 Kommentare

  1. Reinhold Schmidt-Dossow | 24. Januar 2024

    In diesem kurzen Artikel steht viel Kluges und Lehrreiches – danke! Manchen könnte es interessieren, daß noch bis Anfang April in der direkt neben dem Hauptbahnhof gelegenen Hamburger Kunsthalle (https://www.hamburger-kunsthalle.de) eine umfangreiche und m. E. höchst sehenswerte Ausstellung über das Lebrn und Werk von Caspar David Friedrich zu sehen ist – Normal-Eintritt 16 €.

  2. Werner Klug | 24. Januar 2024

    Danke für dieses mir unbekannte Bild von Caspar David Friedrich !

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