Eiskalte Legenden

Blicken wir in den hohen Norden zu den Inuit [*], finden sich erstaunliche Mythen zum Vollmond. Die Inuit leben entlang des Arktischen Ozeans vom Nordosten Russlands bis nach Grönland und Kanada. Dort regiert die Kälte. Die Kultur ist stark von einem archaischen Bewusstsein geprägt, das Leben durchwirkt von Legenden, die traditionell aufgrund der Lebensbedingungen nicht aufgeschrieben, sondern nur mündlich überliefert wurden.

Durch die langen arktischen Winternächte spielen die Sterne und der Mond eine besondere Rolle und es liegt nahe, dass sich daraus Erzählungen entwickelten. Eine besondere Legende handelt von Malina, der Sonnengöttin und ihrem Bruder, dem Mondgott Anningan. Beide wurden als Kinder in der Dunkelheit gemeinsam groß. Als Erwachsene kam es eines Nachts zu einem erbitterten Kampf zwischen ihnen, als Anningan seine Schwester vergewaltigte. Malina stieß ihn von sich und schwärzte dabei sein Gesicht mit Ruß aus einer Öllampe. Dann flüchtete sie in den Himmel und wurde dort zur Sonne. Anningan verfolgte sie und wurde zum Mond.

Noch heute hält diese Verfolgung an und wenn Anningan Malina von Zeit zu Zeit einholt, entsteht – so die Erzählung – eine Sonnenfinsternis: der schwarze Mond schiebt sich vor die Sonne. Das Abnehmen und Zunehmen des Mondes erklären die Inuit sich damit, dass Anningan während seiner Verfolgung nichts isst und somit abnimmt bis er bei Neumond unsichtbar wird. Daraufhin beginnt er zu essen und nimmt wieder zu bis zum Vollmond – ein immerwährender Kreislauf.

Zugegeben, dies ist eine ausgesprochen archaische Sichtweise des Himmelsgeschehens und aus unserem Blickwinkel mag der Kampf zwischen Sonne und Mond befremdlich wirken. Wenn wir uns aber vergegenwärtigen, wie wir Menschen miteinander umgehen, wie Männer und Frauen sich gegenseitig verfolgen, anziehen, bekämpfen und voneinander wegstoßen, scheint hier doch ein Stück Wahrheit abgebildet zu sein.

Nehmen wir den Lauf von Sonne und Mond zum Anlass, uns friedlich und in Liebe zu begegnen.

[*] Wir verwenden hier bewusst nicht den Begriff »Eskimo«, da dieser als abwertend empfunden wird. Er leitet sich von »eskimantsik« ab, was wörtlich »Rohfleischfresser« bedeutet. Die nordamerikanischen Ureinwohner hatten in der Vergangenheit die Inuit so bezeichnet.

2 Kommentare

  1. julia | 3. August 2012

    ich find den vollmond voll toll

    • Valbone S | 27. Januar 2024

      Ja aber auch gruselig

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