Der Tod von Cyrano im Vollmondlicht

Cyrano de Bergerac (1619–1655) war ein französischer Schriftsteller, der weniger durch seine eigenen Stücke [*], als durch ein Werk über seine Person von Edmond Rostand (1868–1918) aus dem Jahr 1897 bekannt wurde. Das Stück heißt wie er „Cyrano de Bergerac“ und wurde im selben Jahr in Paris als Theaterstück uraufgeführt.
Bis heute wurde es vielfach inszeniert und verfilmt. Am bekanntesten ist sicherlich der Film von 1990 mit Gerard Depardieu in der Hauptrolle. Alle Dialoge werden in Versform gesprochen, was dem Ganzen eine historisierende aber auch eindringlich poetische Wirkung verleiht.

Kurz zusammengefasst geht es um besagten Cyrano de Bergerac, der unter seiner riesigen Nase leidet und sich im Verlauf der Geschichte mit Degen und Wortgewalt gegen alle wendet, die seine Ehre oder seine politischen Ziele anzugreifen wagen. Dann verliebt er sich unsterblich in seine Cousine Roxane (die übrigens der Filmversion mit Steve Martin von 1987 ihren Namen gab), hält aber seine Gefühle geheim aus Angst vor Zurückweisung. Daraufhin unterstützt er den hübschen, aber einfältigen Jüngling Christian, indem er in seinem Namen Liebesbriefe und Worte an Roxane verfasst, woraufhin diese Christian heiratet, im Glauben, er sei der Schöpfer. Auch über den Tod von Christian hinaus verschweigt Cyrano seiner Angebeteten, dass in Wahrheit er all die Worte und Briefe geschrieben hat. Erst in seiner Todesstunde gesteht er ihr die Wahrheit. In dieser Schlusssequenz spielt der Vollmond eine wichtige Rolle.

Zunächst macht Cyranos Vertrauter Le Bret ihn auf den Mond aufmerksam, der durch die Bäume zu ihnen herunterschießt und bezeichnet den Mond als seinen Freund [im Film ist diese Passage nicht enthalten, wohl aber der Vollmond – im Video bei 11:15 Min.]:

LE BRET
(lui montrant le clair de lune qui descend à travers les branches)
„Ton autre amie est là, qui vient te voir !“
CYRANO
(souriant à la lune)
„Je vois.“

LE BRET
(zeigt ihm den Mond, welcher durch die Zweige scheint)

„Dein alter Freund!“
CYRANO
(dem Monde zulächelnd)
„Ich seh’s!“

Daraufhin spricht Cyrano angesichts seines nahenden Todes von einem Mondstrahl, der ihn erfassen und von der Erde bringen will [im Video bei 12:06 Min.]:

CYRANO
„… Mais je m’en vais, pardon, je ne peux faire attendre
Vous voyez, le rayon de lune vient me prendre ! …“
[Doch nun verzeiht; nun muß ich euch verlassen:
Ihr seht, der Strahl des Mondes will mich fassen.]

Diese Liebesgeschichte gehört zu den schönsten und eindringlichsten, die je geschrieben wurden. Zum einen durch die Schönheit ihrer Sprache, zum anderen durch das Thema des Verzichtens und Schweigens über die eigenen Gefühle, die dem Menschen schmerzlich den Wert der Liebe vor Augen führt. In dieser Wahrheit liegt eine große Kraft.

Der Mond ist unser Zeuge …

[*] Der Schriftsteller Cyrano beschäftigte sich übrigens ebenfalls mit dem Mond, so in seinem Werk „L’histoire comique contenant les états et empires de la lune“ [Komische Geschichten der Staaten und Reiche des Mondes] aus dem Jahr 1650, in dem er eine imaginäre Reise zum Mond unternimmt.

2 Kommentare

  1. Margret Silvester | 16. Oktober 2024

    Nach dem Komödien-Drama von Edmond Rostand, 1897 verfasst.

    Cyrano de Bergerac – Sonett I
    (in dem es um eine Notlüge geht)

    Der Cyrano, die äußerst tragische Figur,
    war mit seinem Spiegelbild ganz unzufrieden.
    Wenn er – nachdem der Schlaf geschieden –
    zur Morgenstunde vielleicht bei der Rasur

    sein Antlitz vor sich sah, war es zuerst die Nase,
    die ihm entgegenblickte und das Morgengrauen
    zu der frühen Stunde mochte ihm den Tag versauen.
    Doch dann gedachte er Roxane, der lieben Base.

    Ihr waren Herz und Geist so liebevoll gewogen.
    Federleicht mit Hilfe eines Gänsekieles
    verfasste er auf pergamentenem Papier

    Liebesreime, brenned heiß und schier.
    Ja, er erdachte für die Auserwählte vieles.
    Seine Liebe, die war echt, der Verfasser war gelogen.

    Cyrano de Bergerac – Sonett II
    (in dem es zu einem „fast“ glücklichen Ende kommt)

    Dem Christian kam dies Verhalten sehr entgegen.
    Bei ihm war im Gesichte alles schier und glatt,
    er hatte einen Körper, der an Schönheit satt,
    nur sein Geist stand wohl dem Äußeren entgegen.

    Denn trotz Bemühens kam kein Reim aus seiner Feder,
    so bat er Cyrano, den Freund, um Hilfe in der Not;
    der war zur Stelle, brachte alles in das rechte Lot,
    denn ein dreister Graf wollte Roxane ans Leder.

    Das wär die schlimmste aller Möglichkeiten,
    ein Graf, der Cyrano die Base stehlen wollte?
    Dann lieber Christian, der ihm auch nahe stand.

    Das wäre schon ein echter Unterpfand.
    So fügte sich, obwohl der Graf nun grollte,
    alles zum Glücke, wenn auch nur für Zeiten.

    Cyrano de Bergerac – Sonett III
    (in dem es zum vorerst bittersüßen Ende kommt)

    Guiche, der Graf – er fühlt sich schmählich hintergangen
    und zieht daraus, was er, weil Graf, gekonnt:
    er schickt die beiden Freunde an die Feindesfront
    so hofft er, mag kein Liebesschwur mehr zu Roxane gelangen.

    Doch Liebe findet immer ihren Weg im Kriegsgewirre
    und manchmal auch sogar noch aus ihm raus.
    Und so bekommt Roxane zweimal täglich Post ins Haus;
    sie ist ob Christians „Verdummung“ nicht mehr irre

    und eilt rasch, ihm gänzlich ihre Liebe zu gestehen;
    der aber weiß um sein Gewissen, das nicht rein
    und bittet seinen Freund, den Schwindel aufzudecken.

    Da kommt zuvor die Nachricht voller Schrecken:
    Christian fällt. De Bergerac lässt letzte Klärung sein;
    so darf der tote Freund als Liebesheld bestehen.

    Cyrano de Bergerac – Sonett IV
    (in dem wir erfahren, dass alles Warten eitel ist)

    In einem Kloster, abgeschieden und voll Trauer,
    verweilt Roxane nun schon im vierundzehnten Jahr.
    Ihr Christian ist immer noch einzig und wirklich wahr,
    und ihre Liebe ist auch weiterhin von Dauer.

    Ihr Cousin, so treu ergeben, überwindet ihre Mauern;
    an jedem Samstag nimmt er sich für sie die Zeit.
    Er hofft auf den Moment der eignen Schwächlichkeit.
    Um endlich zu gestehen; mag nicht mehr nur noch trauern.

    Roxane, jene Wahrheit ahnend, sitzt im Klostergarten;
    es ist schon wieder Samstag und sie wird ihn fragen.
    Da! Horch! schon rollt die Kutsche rumpelnd vor.

    Doch Cyrano? Er wankt nun blutend durch das Tor.
    Feige Meuchler! ruft er aus. Es ist sein letztes Klagen.
    Fiebernd stirbt er dann. Umsonst war all sein Warten.

    Cyrano de Bergerac – Sonett V
    (in dem wir uns getröstet wissen)

    Da liegt er, Cyrano de Bergerac, ganz ohne Leben;
    Roxane umarmt den lieben Kopf in ihrem Schoß
    und bettet sich und Cyrano auf weiches Moos.
    Sie beugt sich sanft hinab und ihre Lippen beben.

    Von herbstgefärbten Bäumen langsam schweben
    die Blätter aus dem Himmel, weit und groß.
    Der Fährmann hat am Ufer schon sein Floß
    vertäut und Urd wird einen letzten Faden weben.

    Im Klostergarten wächst die wilde Herbstzeitlose,
    mit der Roxane jetzt ihren Liebsten schmückt
    und auch für sich ein paar der Blüten pflückt.

    Still fällt die Dunkelheit. Wie eine blasse Rose
    dereinst verblühen wird, schmiegt sich die Nacht
    um Beide. Vom vollen Mond bewacht.

    © Margret Silvester

  2. Gegenstück vom Vollmond | 3. November 2012

    Verzicht und Schweigen über die eigenen Gefühle ist ein schmerzhaftes Erleben. Die Liebe erträgt ALLES, wenn sie dann ehrlich auf uns zu kommmt!

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