Der Vollmond in der Oper

Bleiben wir noch ein wenig bei der Musik und wenden wir uns einer großen musikalischen Gattung des Theaters zu, der Oper. Wir waren kürzlich in Madrid in TOSCA (von Puccini) und siehe da: im ersten Akt war plötzlich »luna piena« zu hören, was Italienisch ist und Vollmond bedeutet. Ein echtes Highlight!

Das brachte uns auf die Idee, ein paar Operntexte zu durchforsten, um herauszufinden, ob das Vollmondmotiv möglicherweise auch in anderen Werken eine Rolle spielt. Hierzu kann man die Libretti ansehen, das sind die Textauszüge der Opern. Uns interessierte dabei die textliche Nennung, da diese vom Komponisten so geschaffen wurde, während beispielsweise das Erscheinen des Vollmonds im Bühnenbild in der Regel eine Sache der jeweiligen Inszenierung ist.

Zunächst nahmen wir die Werke von Giacomo Puccini unter die Lupe. In TOSCA findet sich die besagte Stelle, in der die Opernsängerin Floria Tosca singt:

TOSCA
1. Akt, 5. Szene

Tosca:
»È luna piena
e il notturno effluvio floreal
inebria il cor! – Non sei contento?«

(»Es ist Vollmond,
und der nächtliche Blütenduft
berauscht das Herz. Freust du dich nicht?«)

Und noch ein zweites Werk von Puccini tauchte auf, LA BOHÈME, in der der Hausherr Monsieur Benoît den Vollmond erwähnt:

LA BOHÈME
1. Bild

Benoît:
»… Non dico una balena,
o un mappamondo,
o un Viso tondo
da luna piena,
ma magra, proprio magra, no e poi no! …«

(»… Zwar keinen Walfisch
oder einen Globus,
oder ein Gesicht rund
wie der Vollmond
doch mager, richtig mager, nein, das schon gar nicht! …«)

Erstaunlicherweise verlief die weitere Suche nach dem Wort »Vollmond« in Opern anderer Komponisten erfolglos. Man findet es nochmals in einer Szenenbeschreibung in einer Oper von Igor Strawinski, THE RAKE’S PROGRESS. Wirklich gesungen wird allerdings nur das Wort »Mond«.

THE RAKE’S PROGRESS
1. Akt, 3. Szene
Summer night, full moon.
[Anne enters from house in travelling clothes]

Anne:
»… Guide me, O moon, chastely when I depart,
And warmly be the same
He watches without grief or shame;
It can not be thou art
A colder moon upon a colder heart …«

Wenige weitere Ergebnisse erhält man, wenn man nicht nur nach »Vollmond« sucht, sondern auch den »Mond« und Zusammensetzungen wie »Mondschein« etc. gelten lässt. Und wieder tauchen zwei Werke von Puccini auf, nämlich TURANDOT und MADAMA BUTTERFLY, außerdem Wolfgang Amadeus Mozart mit DON GIOVANNI und Charles Gounod mit FAUST.

Man kann sagen, dass Giacomo Puccini (1858–1924), der italienische Komponist des Fin de siècle, der unangefochtene Vollmond-Opern-Komponist ist (zweimal »Vollmond«, zweimal »Mond«). Ein Blick in seine Biografie offenbart, dass er nicht nur sein künstlerisches Werk liebte, sondern insbesondere die Frauen. Man sagt dem Lebemann zahllose Affären und Eskapaden nach, die er selbst mit seiner künstlerischen Freiheit rechtfertigte. Ob er deshalb das Vollmondmotiv – Sinnbild der weiblichen Seite der Schöpfung – so intensiv in seinen Stücken einsetzte, ist nicht belegt. Jedenfalls liegt die Vermutung nahe: was weit entfernt ist, wird begehrlich und will erobert werden. Er selbst soll gesagt haben, dass er Frauen ebenso leidenschaftlich jage wie Wasservögel und Texte …

5 Kommentare

  1. Margitta | 12. Juli 2022

    Die Vollmondbotschaft heute berührte mich so sehr, daß ich den Vollmond fast „vorgezogen“ hätte auf heute (Dienstag)

  2. ekki | 21. Oktober 2015

    Der Plural von Libretto ist Libretti – weil italienisch . . .

    • Jörg & Pat | 22. Oktober 2015

      Vielen Dank für den Hinweis. Laut DUDEN ist beides möglich und richtig: Librettos und Libretti. Wir haben es geändert, weil es auf Italienisch auf jeden Fall schöner klingt 🙂

  3. Beatrice Utzinger | 26. Juli 2011

    Eine wunderschöne Oper in der der Mond eine Rolle spielt ist RUSALKA von Antonin Dvorak. Darin singt Rusalka das Lied an den Mond:
    http://www.youtube.com/watch?v=uoPTh_q7GYs

    Silberner Mond du am Himmelszelt,
    schenkst uns dein‘ Strahlen voll Liebe,
    schwebest still über uns’re Welt
    blickst auf der Menschheit Getriebe.
    O Mond, doch nicht so eile,
    sag mir, wo meinn Schatz weile?
    Sage ihm, Wand’rer im Himmelsraum,
    wie ich ihn herze und küsse,
    dass er, umsponnen vom Morgentraum,
    meiner gedenken auch müsse,
    O leucht‘ ihm aus weiter Fern‘,
    sag ihm, wer ihn hat so gern.
    Sieht mein Schatz mich im Traumgesicht,
    wach‘ er auf, meiner gedenkend.
    O Mond, erlisch mir nicht.

    Vielen Dank für die schönen Vollmondnews!

    • Jörg & Pat | 26. Juli 2011

      Das ist wunderbar – vielen Dank für diese schöne Ergänzung!

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