Die Nacht, in der Yona zu uns kam …

Wir feiern hier zu Hause die alten acht Feste, das eine mehr als das andere. Zu den großen Feiern gehört aber in jedem Fall ein Herbstfest, das in sich Erntedank, Tag-und-Nacht-Gleiche, Baumfest und letztlich auch unseren Hochzeitstag vereinigt. Meist feiern wir mit vielen Freunden an einem ersten Oktober-Wochende. So auch im Jahr 1990. Da war der 5. Oktober für die Feier vorgesehen und wir waren am 4. Oktober emsig dabei, den Garten, die Feuerstelle und vieles mehr herzurichten. Wenn man mit den Vorbereitungen erst nach Feierabend beginnt, ist es vermutlich jedem klar, dass es Nacht wird, bevor man endlich mit einem Glas Wein die Füße hochlegt und den Rest auf „Morgen“ verschiebt. Es war so gegen 23.00 Uhr, als der Mond in seiner schönsten Form hinter den Dächern auftauchte und über unseren Garten wanderte. Mein Mann war noch dabei, bunte Bänder um einen Baum zu wickeln, als der Schein des vollen Mondes direkt auf die kleine Rasenfläche in unserem kleinen Garten fiel. In dem Licht bewegte sich etwas. Mein Mann dachte erst an eine Ratte, doch dann erkannte er, was sich da so ins Licht gesetzt hatte, damit es gesehen wird. Es war ein kleiner Igel. Viel zu klein für die Jahreszeit und mit einem schiefen Hals.

Mein Mann griff sich diesen Winzling und brachte ihn zu mir auf die Terrasse (nein, ich hatte meine Beine auch noch nicht hochgelegt ;o), sondern war dabei, Teelichte in Behältnisse zu stellen.

Der kleine Kerl schien am Ende seiner Kräfte zu sein. Nun traf es sich, dass in unserem Haushalt auch ein Kater lebte und für den hatten wir Dosenfutter. Dass Igel auch Katzenfutter fressen mögen, wussten wir. Und tatsächlich; Kaum hatten wir einen kleinen Teller mit dieser Leckerei vor dem wohl noch nicht ausgewachsenen Igelkind hingestellt, schon schmatzte es drauflos.

Wir bauten ihm einen Karton und lasen im Lexikon über Igel.
Am nächsten Morgen, am Tag unserer Feier, ging ich mit dem Kleinen zum Tierarzt.

Es stellte sich heraus, dass er nur 125 g wog und nie und nimmer durch den Winter gekommen wäre.

Er wurde entfloht und entwurmt und wir hatten einen neuen Mitbewohner, den wir spontan Yona nannten (der Igel aus „Unten am Fluss“).

Yona war eine ständige Freude in der nächsten Zeit. Ich könnte hier ganze Romane schreiben. Er legte an Gewicht zu, behielt seinen Schiefhals und kam sogar mit dem Kater klar.
Bis zum Ende Januar 1991 fütterten wir ihn mit Katzen- und Igelfutter, besorgten dicke lebendige Maden und ließen ihn durch die Wohnung laufen. (Seine „Hinterlassenschaften“ unter den Schränken und an den Lamperien haben wir noch Jahre später gefunden).

Als er schon richtig dick und rund war, bauten wir ihm eine Burg aus vielen Kartons mit noch mehr Zeitungspapier darin. Es traf sich, dass eines unserer Zimmer erst im Frühjahr wieder benutzt werden musste und so konnten wir dort die Burg aufstellen und die Heizung auslassen. Irgendwann hatte Yona sich zur Winterruhe begeben und schlief bis in den April rein.
Er hielt sich noch eine ganze Weile bei uns im Garten auf, aber irgendwann war er verschwunden.

Wir haben ihn sehr vermisst und uns dann sehr gefreut, als er im Frühherbst noch einmal zu uns kam. An seinem schiefen Hals haben wir ihn erkannt.

Hätte der Vollmond nicht sein Licht auf den Rasen und damit auf Yona gerichtet – wer weiß, was aus Yona dann geworden wäre. Und das ist doch eine kleine Erzählung wert, oder?

Margret

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