Alte chinesische Mond-Gedichte

Passend zum Mondfest, das gerade in Asien gefeiert wurde, werfen wir einen Blick in den Fernen Osten und gehen weit zurück in der Zeit bis ins Jahr 700 n. Chr. Damals herrschte in China die Tang-Dynastie, ein mächtiges Herrscherhaus, das fast 300 Jahre an der Macht war. Und es waren zwei Dichter, deren Namen noch heute bekannt sind, Li Bai (701–762) und Du Fu (712–770; siehe nebenstehendes fiktives Portrait). Beide schufen großartige Werke. Li Bai war etwas älter und daher ein paar Jahre voraus, Du Fu soll sein Idol jedoch überflügelt haben – so sagen manche Gelehrte.

Bei beiden Dichtern spielt der Mond eine Rolle. Es wird dabei meist nur von »yuè« (月: chin. Mond) gesprochen, man kann aber davon ausgehen, dass hier der Vollmond gemeint ist, dies zeigen auch die kalligrafischen Darstellungen aus dieser Zeit, in denen fast immer der volle Mond am Himmel steht.

Li Bai
Nachtgedanken

Zu meiner Lagerstätte scheint licht der Mond herein,
bedeckt mit fahlem Glanze wie kalter Reif den Rain.
Ich heb das Haupt und blicke empor zum lichten Mond,
drauf laß ich’s wieder sinken und denk der Heimat mein.

[Übersetzung: Wilhelm Grube]

Du Fu
Auf der Reise bei Nacht
niedergeschrieben meine Gefühle

Im feinen Gras ein sanfter Wind am Ufer

Unter dem hohen Mast allein bei Nacht im Boot
Die Sterne hängen herab, die Wildnis breitet sich aus

Der Mond steigt herauf, der große Strom fließt dahin
Ist mein Name vielleicht durch Dichten bekannt geworden?

Das Amt wegen Alter und Krankheit mußte ich aufgeben
Es weht mich hin und her, wem gleich?

Einer Sandmöwe zwischen Himmel und Erde

[Übersetzung: Dorothee Dauber]

Der sprachliche Aufbau im Chinesischen ist so grundverschieden zu europäischen Sprachen, dass man als Übersetzer im Grunde Dichter sein muss, um den Charakter des Werkes angemessen darstellen zu können. Nicht selten existieren zu einem Gedicht hunderte (mehr oder weniger gute) Übersetzungen.

Es ist immer wieder erstaunlich, dass so ein Werk Jahrhunderte überdauert und man den Namen der Urheber noch heute weiß und benennen kann. Insofern scheint ein Stückchen Wahrheit darin zu liegen, wenn man sagt, dass ein Kunstwerk seinen Schöpfer unsterblich macht.

Beim Mond ist das anders: Der muss keine Wunder vollbringen, um die Zeit zu überdauern.

1 Kommentar

  1. Gudrun Grübler | 24. Juli 2021

    Die Demut und der Geist dieser Gedichte, dieser Texte ist tief berührend.
    Dankeschön
    Hier ein japanisches Haiku:
    „Das Glühwürmchen,
    gejagt, flüchtet sich
    in den Mond“ (Ryota)

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