Die Hand des Vollmondes

In nächtlicher Stille musste ich noch hinaus,
wie ein Gefängnis erschien mir das Haus.
Umgeben von Ruhe und einem zarten Wind,
verliess ich die Strasse, zu einem Bänklein geschwind.

Da fanden sich Gedanken, Leere und Nacht,
einsam unter der Sternenpracht.
So lag ich da, nur das Bänklein mein Halt,
traurig, verlassen und es wurde kalt.
Ich schaute zum Himmel und sah doch nicht,
weit weg meine Hoffnung, weit weg der Sternen Licht.

Und plötzlich, erschreckend, wurde es hell,
und durch die Tannen strahlte ganz grell
der Mond in seinem silbernen Kleid,
berührte mich, berührte mein Leid.
„Was willst du, Mond, lass mich in Ruh“,
doch meine Seele hörte ihm schon zu
und als er über den Wipfeln stand,
war es, als gäb er mir seine Hand.

„Sieh‘“, sprach er, „glaubst du ich kenn das nicht?
Glaubst du, in sei immer in diesem Licht?
Ich kenne die Leere, wer kennt sie nicht?
Es kennt sie jeder, nur sieht sie jeder nicht.
Auch ich schweb‘ und doch hält es mich hier fest,
ich weiss, dass es mich nicht fallen lässt.
Es gibt so viele Wege, die ich zwar seh‘,
doch nur ein richtiger für mich, auf dem ich geh.

Sieh‘ über mir die vielen Sterne im All
und die vielen Menschen auf dem Erdenball.
Da hat auch jeder seine eigene Bahn,
man versteht sie nicht, weil man sie nicht sehen kann.
Es gibt doch jeden nur ein einziges Mal
und doch gibt’s von allem eine unendliche Zahl.
Kennst du vielleicht einen zweiten Mond?
Ich kenne nur eine Erde, die ihr bewohnt.

Wir kreisen zusammen, doch jeder für sich,
hast du keine Sonne, gibt sie mir das Licht für dich.
So geh‘ ich denn weiter; warst du jemals allein?
Begrüsse du morgen den Sonnenschein.
Einmal drehn wir uns eben im Licht,
ein anderes Mal sieht man uns eben nicht.“

Gitte Schädler


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