Im Cafe

den ersten stunden des Tages begegne ich im
italienischen cafe: schlicht ist es

vor den leeren Tischen erhebt sich leise der Morgen
Passanten schreiten still und mit zumeist schnellen, sicheren Wegen vorüber
menschen die der Tag gerufen hat, der mancherorts über friedliche Straßen klettert
mancherorts unerbittlich steigt
an Kriegen
schwierigen Reisen übers Meer
wo die Sonne wie eine Wegsehende über Tote, Ertrunkene steigt
und über schwere Stunden auf See vor
den goldenen küsten Europas

die zeitung berichtet im Morgengrauen
von den Kriegsflüchtlingen auf dem Meer
kenternde Boote
Zitternde Münder unterm Vollmond
sich vereinenende Hände
Mutter und Tochter
verstummende vieles verkaufende Kapitäne
betende Mütter zwischen Sturm Neuanfang und Tod

in dieser Stadt ziehen Wolken über die schmale straße am cafe
stille Passanten
Arbeiter Reporter Soldaten Müde Fallende und
Ausbeutende, Fabrikanten Flüchtlinge
die es geschafft haben in die neue Welt
Widerstehende und Strebsame für ihr Brot im Leben
über ihnen und dem Cafe
ziehen Wolken schnell und hoch wie von fernen Ländern gezogen

die Welt erhebt sich mit Chancen
Umbrüchen, Verträgen, pochenden Herzen und Verrat
die Zeitung berichtet von Zahlen Ziffern und Verträgen
man erahnt die Zivilisation und Verrohungen an den Landstrichen Europas
hört von und sieht plötzlich Menschen die die immensen Wellen überstanden
Väter die um ihre am Strand verstorbenen Kinder gedenken
die ertranken bei der überfahrt in ein besseres Leben
tränen und finstere münder
Chancen und Aufbrüche zwischen Europa und der Welt

entlang der Routen der Kriegsflüchtlinge
in syrien lybien und Rojava
die zeitung berichtet davon

irgendwo gibt es die Hoffenden am Meer und an Städten
die der Krieg nicht ins Feuer stieß

vor dem italienischen cafe dieser straße
schreiten Arbeiter still und schnell zur Straßenbahn und Fabrik
Frauen zum Markt
Neunankömmlinge mit Narben und verbrachten Stunden auf dem
verdunkelten Meer

in der illusionären Ferne wartet die Welt:
Flüchtlinge an Meeren und goldenen Stränden
die Zeitung berichtet davon auf Seite 2
auch von Helfenden
vom gereichten Brot und einer sich öffnenden Tür
einem Licht im Haus
nach den finsteren Wellen des Meeres
Brüderliches und Menschliches dass empor wächst wie ein großer Himmel

man erahnt das Menschenleben dass im Kriege litt weiter hofft sich würdevoll aufrichtet trotz der
finsteren Wellen und der Tränen abseits der zerbombten Städte
mit strotzenden Händen und jungen Herzen
Menschen die nicht aufgeben hoffen und neu beginnen in Europa
einst Fliehende vor dem Krieg

berichte und meldungen aus der Ferne liest man an diesem Morgen im cafe
beim italienischen espresso
unter Wolken schreiten unweit die Arbeiter
Soldaten zur Kaserne
stille passanten an den leeren Tischen vorüberschreitend

unter Wolken unweit der kargen Bäume, Chancen und Zäune
der stille Blick in die verbrüderte Welt
mit ihren finsteren Meeren
und sich neu öffnenden Türen in Städten
Türen
die nicht zerbombt wurden
wo Chancen warten und nicht zerbrochene Himmel und Türen

Deniz Civano Freier Journalist und Prosaist


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